Zur Hauptnavigation springen Zum Hauptinhalt springen

Pressemitteilung

„All Our Sins“ = ein Requiem für den Wald

2. Jahrestag der Teslawald-Abholzung

Brief einer Anwohnerin aus Erkner an die ÖDP:

 

Lieber Umweltfreund,

als das mit dem „Elend“ anfing, brachte eine meiner Lieblingsbands, VNV Nation, das Album „Noire“ heraus. Als ich die Rodung mit ansehen musste, die sich nun zum zweiten Mal jährt, habe ich das Lied „All Our Sins“ weinend laut geschrien. Es war ja sonst keiner da, der was dagegen tun wollte, die Autobahn war laut, das Rodungsgerät, das krachende Holz noch lauter. Der Wald starb nicht leise, er hat geschrien.

In der Woche zuvor musste ich meine Hündin einschläfern lassen. Ich hatte ihr dabei in die Pfote versprochen, dass ich alles tun werde, um ihren Wald und ihren Freund, den Baummarder, vorm Tod zu bewahren. Sie starb, ohne dass wir uns wegen des bereits vom Grünheider Bürgermeister erlassenen Betretungsverbots, von ihm verabschieden konnten. Ihr Wald starb nur eine Woche nach ihr, durch eine flächendeckende Rodung im Schachbrettstil durch 35 Harvester. Es begann in der Dämmerung des 13.02.2020, obwohl die Erlaubnis erst zum Folgetag datiert war.

Am 14.02.2020 begab ich mich in der Frühe dorthin und musste feststellen, dass schon über die Hälfte der 90 ha zerstört waren, flächig auf die 90 ha verteilt, im Schachbrettstil eben. Also größtmögliche Zerstörung in kürzester Zeit, und ich dachte an den Baummarder und alle anderen jagdrechtlich und naturschutzrechtlich anscheinend leider „irrelevanten“ Tiere, die diesen Wald so wertvoll fanden, wie ich. Dieser Wald war Leben.


...All Our Sins... wer ist hier „Our“???


Im Jahr 2006 hatten wir diesen Wald entdeckt, zu dem von Erkner aus nur eine Autobahnbrücke als Verbindung zwischen zwei Waldgebieten übrig geblieben war. Warum es diese gab, recherchierte ich dann: Es war die Alte Poststraße. Es war der erste regelmäßige Postdienst zwischen Berlin und Frankfurt/Oder, der diesen Weg seit fast 200 Jahren befuhr und dabei den noch ununterbrochenen Rüdersdorfer Heidedestrikt querte.

Heide bedeutet ja, wie wir wissen, "Wald" und als die Ortsumbenennung von Werlsee in Grünheide stattfand, stand eben dieser immergrüne Kiefernforst Pate. Jene Alte Poststraße, die ein unbefestigter breiter Sandweg war, ist nun weg, die Brücke einseitig abgetragen und eine erst vor 22 Jahren mit Steuergeldern neu gebaute Autobahnbrücke sinnlos. Später soll hier der sogenannte T...-Radweg entlangführen. Aber E-Bikes sind noch nicht im sonst so vielfältigen Unternehmensportfolio Elon Musks enthalten.

Auf alten Karten sieht man, dass dort immer Wald war. Einen wirklich alten Wald mit alten Bäumen konnte es aber logischerweise so dicht und verkehrsgünstig am Oberlauf von zwei Flüssen nach Berlin nicht geben. Denn Berlin wurde bekanntlich aus dem Kahn erbaut mit Kalk und Zement aus Rüdersdorf und dem Holz des dazugehörigen Forsts. Daher ja auch Fangschleuse: Eine Holzsammelschleuse, zum Flößen von Holz. Der Wald liegt bzw. lag nur 4,8 km Luftlinie von der Berliner Stadtgrenze entfernt, dazwischen wie eingeklemmt, befindet sich meine Stadt Erkner. Früher wäre die Distanz noch geringer gewesen, denn Erkner hat Anfang des 20. Jahrhunderts etwas Land von Berlin hinzugekauft, für industrielle und infrastrukturelle Bauvorhaben.

Ich musste letzten Montag nach der Arbeit zum schwedischen Möbelhändler für meine Mama einen Küchenschrank holen... und dann leider die Autobahn auf dem Rückweg benutzen, die ich seit zwei Jahren fast generell meide. In meinem Autoradio stellte ich Nr. 13 ein, ...All Our Sins... da mich der Blick auf die kürzlich mitten in den Wald am Oder-Spree-Kanal gestellten gigantischen Windräder ärgerten und ich gleich beim „Elend“ vorbei fahren muss. Der Blick auf das Datum im Autoradio ließ mir die Tränen, die mir später sowieso zwangsläufig in die Augen schießen, schon vorher rollen. Auf die Uhrzeit genau vor zwei Jahren starb meine Hündin. Am 13.02.2020 dann unser Wald... und ich muss da gleich entlangfahren.
 

...All Our Sins…


Ich singe das Lied immer als Motivation, manchmal auch aus Verzweiflung vor mich hin, wenn ich mich dem „Vorhaben“ nähere. Motivation ziehend, nicht aufzugeben, und als Vorwurf gegen den stinkreichen Umwelttroll der mein Zuhause auffrisst mit seiner Habgier und alle blendet. Dort in unserem Wald, der so friedlich und still war und seinen Frieden mit der Geschichte gemacht hatte, von Allen nur benutzt, von Wenigen wertgeschätzt, ist jetzt der größte in Beton verewigte Industriemonolith mit der dauerhaften Nachtbeleuchtung einer Blendgranate eingeschlagen.


...All Our Sins...
 

Ich kann es sehen, ich kann es hören, bald auch riechen und schmecken und das schmeckt mir nicht. Also hilft nur weiterlesen, nochmal alle Antragsunterlagen und Einreichungen rückwärts, ggf. zum x-ten Mal, um jedes Sandkorn „aufzulesen“, dass diese Maschinerie der Zerstörung noch aufhalten oder gar stoppen könnte. Den größten Betonklotz bekommt man zwar nicht mehr weg, aber wenn er erstmal seiner zweckmäßigen Bestimmung nachkommt, betrifft das Alle im Umkreis von mindestens 5 Kilometern in ihrem ständigen Alltagsleben wie -wegen einschneidend. Es geht hier nicht nur um meine Prinzipien, sondern auch um meinen Glauben an das Gute, das gewinnen muss und um den Wert der Wahrheit und Wahrhaftigkeit, Ethik und Moral, Natur und Leben.

Was wir uns als popelige Menschen eigentlich einbilden, das Schicksal des Lebens der Erde zu bestimmen und durch schnelllebige, in Kurzweil getroffene Entscheidungen und Taten zu zerstören.


Weggetwittert... ups.
 

Dabei sehen die Entscheidungsträger nicht auf die P(rofit)&L(oss) - Bilanz der Natur mit Mensch und Tier, sondern auf die der Wirtschaft, deren Basis Konsum ist.

Ein ca. 40 Seiten umfassender Bericht, erhoben im Winter, war die Basis für die Rodung von den ersten, aber entscheidenden 90 ha Wald, dem dann noch Weitere folgten und noch folgen werden. Die Untersuchung fand im Jahresübergang statt, also wurde der Wald quasi im Winterschlaf analysiert als sogenannte „Potentialanalyse“ und kurz darauf zerstört. Selbst einem absoluten Laien muss dann doch auffallen, dass dieser Zeitraum für eine Ermittlung des tatsächlichen ökologischen Werts doch viel zu kurz ist. Damit ist nicht mal eine komplette der vier Jahreszeiten abgebildet. Mein Geographielehrer hatte vor 35 Jahren einmal gesagt: Rein zeitlich betrachtet und auf die Erdgeschichte bezogen, ist der Mensch nur ein Pups. Leider hält sich dieser in der Luft, selbst wenn der Verursacher schon weg ist.

Er bezog sich damals auch auf das ortsansässige Teerwerk, Teil des PCK Schwedt und die Plasta (in Erkner wurde Bakelit, der erste vollsynthetische Kunststoff erfunden und produziert). Bei diesen Werken wurde aus Geldmangel irgendwann am Luftfilter gespart, bzw. die Umgebung großzügig verseucht, was bis heute der Wasserproblematik eine gewisse Würze verleiht. Also ist auch ein Pups irgendwie nachhaltig.


...All Our Sins...
 

Dieser Wald stand im Trinkwasserschutzgebiet einer Brunnenanlage, deren Wasserqualität so hervorragend war, dass dieses Wasser zur Aufbesserung der Qualität der anderen Brunnen genutzt wurde. Nachhaltig... ein Wort, mit dem heute so um sich geschleudert wird, ein sogenanntes Buzzword, dabei stammt es aus der Forstwirtschaft. Es bezeichnet die Tatsache, dass so gewirtschaftet wird, dass erst nach langer Zeit in der 3. oder 4. Generation das aus der Saat des Baumes entstandene Holz „geerntet“ werden kann, also nach ca. 80 Jahren bei Kiefern. Ein glücklicher Förster zu sein, hängt also von dem Geschick des Vorgängers ab und dessen langfristiger Planung für die Zukunft, und nicht zuletzt vom Eigentümer, dem das Land gehört.

Na mal schauen, ob man für die Ersatzmaßnahmen überhaupt jemals Förster braucht, oder es doch wieder 50 Flächen werden, die Bauern, Gärtner oder Häuslebauer glücklich machen. Aber wer fragt das in 20 Jahren oder gar noch später nach, wenn die Bäume dort bestenfalls unter die Definition „Stangenholz“ fallen werden. Dahingehend das „Vorhaben“ betrachtet, hinterlässt also der Tod dieses intakten, saftigen, als Erholungswald der Stufe 2 deklarierten Waldgebiets im Trinkwasserschutzgebiet einfach nur den Eindruck nachhaltigen Stumpfsinns, der um sich greift. Vorher schon an nachher denken, das bedeutet nachhaltig. Dem steht das ganze überfallartig durchgezogene „Vorhaben“ als IST- Zustand und Planung „on Elends demand“ entgegen, dessen Unterlagen dann selbst dem zur Genehmigung verdammten Amt nur auf Nachfrage nachgereicht werden.


...All Our Sins...


Warum gerade hier, so mitten in unserem bis dahin geschlossenen Waldgebiet? Denn zwischen der für die Öffentlichkeit gefundenen Deklaration „minderwertiger Stangenforst“ und „erntereifem Kiefernforst“ liegen nicht weniger als 75 Baumjahre. Und dieses Mindestalter, um eine wirtschaftliche positive Bilanz zu haben, kann eine Kiefer noch bei Weitem übertreffen, wenn man sie lässt. Je älter sie ist, desto ökologisch bedeutender ist sie. Ein toller, bewundernswerter Baum, mit erstaunlichen Eigenschaften und Vorteilen. Genau diese Baumart, die vom Mischwald übrig gebliebene Kiefer (vor der aktiveren Bewirtschaftung… ein zum Boden und Klima passender Traubeneichen - Buchen - Kiefern - Mischwald) passte zum Trinkwasserschutzgebiet, denn der Boden war sehr moosig, humos und pilzreich, darunter sandig über einem unbedeckten Grundwasserleiter. Nadelbäume haben eine geringere Evapotranspiration als Laubbäume, weshalb netto weniger Niederschlag wieder verdunstet und mehr versickert. Dieser Wald, genau da, so wie er war, mitten im größten Landschaftsschutzgebiet neben Berlin, dem Grünau-Grünheider Wald und Seengebiet, wie es früher hieß, war richtig, wichtig, gut und gesund ... bereits im Waldumbau befindlich. Wegen seiner partiellen Unzugänglichkeit war er doch artenreich und einfach ein „place to be“ für jeden, der es ruhig mochte.


...All Our Sins...


Für wen das alles geschieht: für einen Autohersteller von E-Autos, der total auf Technik abfährt und dessen Traum, für Viele, die hier wohnen, zum Alptraum wird. Als umweltbewusster, naturliebender Anwohner, der Kröten sammelt, damit sie nicht überfahren werden, wurde man damit nicht nur konfrontiert, sondern diskussionslos geplättet und verspottet zugleich.


...All Our Sins...

 

Man darf sich schon mal fragen, warum man einen Autohersteller derart fördert anstatt die Bahn oder einen ökologisch ausgelegten ÖPNV. Gelänge eine wahre Verkehrswende, die nicht zur bloßen Antriebswende verkümmern dürfte, gepaart mit einer Wende hin zum Home Office, dann bräuchte man nur noch ein paar Mal im Jahr wirklich ein Auto! Gerade noch für den Urlaub und für den Einkauf von ganz sperrigen Dingen.

Der ÖPNV und eine Autofabrik, ein Paradoxon. Die Fabrik als Begründung zu nehmen, um eine Infrastruktur zu errichten, die nur dem Arbeiterzustrom dient... na vielleicht ist noch was von dem Holz da... denn mehr als unbehandelte Planken würde ich dafür nicht verlegen als Weg zum Werk. Die Wirtschaftlichkeit einer Massenproduktion hängt stark von der Automatisierung ab, die sich wiederum nur ab gewisser Absatzzahlen und Stückzahlen lohnt. Kurzum: Je besser es läuft, desto mehr wird automatisiert, desto weniger vergleichsweise teure menschliche Handgriffe sind noch notwendig. Und natürlich kommt man mit dem Drahtesel, wenn man zur Nachtschicht in einer Autofabrik fährt? Aha. Ein Veganer, der im Schlachthaus arbeitet, klingt ähnlich logisch.

Auf meiner Fahrt nach Hause, nach Erkner, habe ich dann also „All Our Sins“ mitgesungen. Der Text, die Emotionen, das Lied... es passt einfach. Vielleicht gibt Dir das ja auch etwas Mut, Hoffnung und Motivation zum Weitermachen.

„The harbingers comes in blazes of gold
With fear and destruction a haven for none“

Das konnte man vorher aus etlichen Seiten des Bauvorhabens erlesen und sehen. Ich konnte damit zwar nichts aufhalten, aber man hat es wenigstens versucht. - Allein schon das Wording: „Vorhaben“ ...es ist ja schon steinernde Tatsache. War es doch schon nach anderthalb Jahren ein ziemlicher Hohn, die unveränderte, widersprüchliche Waldverleumdung ein drittes Mal als Einwenderin im Rahmen der Auslegung eines aktualisierten Antrags zur Genehmigung der Fabrik durchlesen zu müssen. - Und beim Tag der Offenen Tür dann auch noch an der Fassade einen Hirsch im Wald abzubilden, ist derart geschmacklos! Aber sein "Body Count", die tierischen, immens hohen Opferzahlen sind bis heute nicht mehr erfassbar. Es gibt allein auf einem Quadratmeter Waldboden so viel Leben. Wieviel gab es wohl auf diesen 90 ha, das werden wir nie mehr erfahren? Sollten es wirklich nur drei Fledermäuse gegeben haben, die in einer Höhle einer Kiefer überwintert lebten, die es wert waren umgesiedelt zu werden? Eine einzige Zauneidechse die man medial groß präsentiert einfing? Wollte man zudem nur 5-6 Ameisenhügel finden und markiert haben um nicht lang sich damit aufhalten zu müssen? - Die „Vergrämung Wolf“ lief ja nun auch nicht nach dem Prinzip, dass der Förster mit seinem Hund durch den Wald spaziert und „Wolf, hau ab“ ruft, wie naiv manche Menschen doch sind. Erst wenn Fuchs oder Wildschwein auf der Fußmatte sitzen, verstehen die Menschen ggf. warum: Wegfall und Zerschneidung des Lebensraums, ihres angestammten Ökosystems.

Und was ist da jetzt? Wem nutzt es was und für wen ist es (noch) von Wert? Ein Riesenklotz auf zum Schnäppchenpreis gekauften Boden inklusive eines Erholungswaldes der Güteklasse 2. Eine Flächenversiegelung am Stück, die der komplett bebauten Grundfläche meiner Heimatstadt Erkner mit 12.000 Einwohnern entspricht.


Also don't give up... und wenn Du Energie brauchst... der Song gibt sie.
 

Unsere Natur, das Landschaftsschutzgebiet, unser Wald mitsamt den Tieren und unser Wasser braucht weiter unsere Hilfe, unseren Grips und unsere Fürsprache. Denen, die nicht sprechen können eine Stimme zu verleihen, Sachverhalte erklären, Hintergründe aufklären, um das eigene Gewissen nicht durch Untätigkeit zu belasten und eben Schützenswertes vor der Zerstörung durch schlichte Habgier zu bewahren, ist eine ehrenwerte Haltung finde ich. Das hier Wenige für Viele entschieden haben, deren Haltung und Bedürfnisse nicht erfragt wurden, zeigt immer noch die hohe Zahl von gut 600 Einwendungen. Auch deren teilweise doch beeindruckende Tiefgründigkeit, die nicht nur dem Erörterungskatalog in der Synopse den Umfang von 488 Seiten verlieh. Und dies sind nur die Bürger- wie Umweltverbandseinwendungen, die sich strikt auf diese starre Onlinebeteiligung eines BimSch-Verfahren einließen. Wollten die obersten Behördenvertreter doch der Bevölkerung keinerlei Versammlungshalle anbieten, sich keine weitere öffentliche Blöße vor der Presse mehr erlauben wie noch im Jahr zuvor.

Du bist nicht allein, wir sind nicht allein, der Wald starb nicht allein, denn Viele von uns haben sich mit Tränen der Verzweiflung in den Augen erst dort, vor Ort kennen gelernt. Also hat uns der Wald vereint. Damit war sein Tod nicht ganz so sinnlos und die Umweltsünden, die bisher dort begangen wurden, belasten nicht unser Karmakonto.


Liebe Grüße
Eure Umweltfreundin


Wichtiger Hinweis:
Blogbeiträge stellen die persönliche Meinung einzelner Parteimitglieder oder Nichtmitglieder dar. Diese kann in Einzelfällen von der Programmlage der Partei abweichend sein. Auch ist es möglich, dass zu einzelnen Themen und Aspekten in der ÖDP noch keine Programmlage existiert.


Pressekontakt:

Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), Landesverband Brandenburg
–Landespressestelle–
Gartenstraße 2
16798 Fürstenberg

E-Mail: presseoedp-brandenburg.de
Internet: www.oedp-brandenburg.de
Ansprechpartner: Thomas Löb – thomas.loeboedp.de
V.i.S.d.P.: ÖDP Brandenburg

Foto: ÖDP Brandenburg

 

Zurück