NS-Täter- und Täterinnenforschung - Stand und Perspektiven
Stiftung Topographie des Terrors
Impulsvortrag: Prof. Dr. Michael Wildt, Hamburg
Podiumsgespräch mit Dr. Andrea Genest, Fürstenberg/H.,
PD Dr. Christian Gudehus, Bochum, und Prof. Dr. Michael Wildt
Moderation: Dr. Andrea Riedle, Berlin
Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen und deren geschichtswissenschaftliche Erforschung in Deutschland setzte im Wesentlichen erst mit dem Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem 1960/61 und dem Frankfurter Auschwitz-Prozess gegen Angehörige des SS-Lagerpersonals ab 1963 ein. Wurden zuvor wenige Personen wie Hitler, Himmler oder Heydrich als „Täter“ eingestuft, änderte sich nun die Einschätzung, wer als „Täter“ und „Täterin“ zu gelten habe. Mit der Frage, wie aus „normalen“ Männern und Frauen Täter und Täterinnen werden konnten, geriet die Alltags- und Gesellschaftsgeschichte zunehmend in den Fokus. Der Blick auf eine „Tätergesellschaft“ lenkt die Perspektive auf Politik und Gesellschaft. Im Podiumsgespräch wird der heutige Stand der NS-Täter- und Täterinnenforschung aus historischer und sozialpsychologischer Sicht erörtert. Gefragt wird auch, welche Perspektiven sich für die Täterforschung generell ergeben.
Andrea Genest, Politikwissenschaftlerin, ist Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück und stellvertretende Direktorin der Stiftung Brandenburgische Gedenk- stätten. Zu ihren Publikationen zählt der Aufsatz Fotografien als Zeugen. Häftlingsfoto- grafien aus dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück (2019).
Christian Gudehus, Sozialwissenschaftler, ist Privatdozent an der Ruhr-Universität Bochum. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehört die kulturpsychologische Gewaltfor- schung. Er ist Herausgeber des Bandes Gewaltpraktiken. Reichweite und Grenzen einer praxeologischen Gewaltforschung (2024).
Michael Wildt ist Professor i. R. für Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt im Nationalsozialismus an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zu seinen wichtigsten Werken gehören Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes (2002, 3. Aufl. 2015) und Ambivalenz des Volkes. Der Nationalsozialismus als Gesellschaftsgeschichte (2019).
Andrea Riedle ist Direktorin der Stiftung Topographie des Terrors.